Die Löwenburg

Ein lohnendes Ausflugsziel mit überwältigender Aussicht über das Rheintal

Die Löwenburg An einem sonnigen Frühlingsmorgen Ende März 2011 machte ich mit meinem Mann und meiner Mutter eine Wanderung auf die 455 Meter hohe Löwenburg, den zweithöchsten Berg im Siebengebirge. Unser Ziel war die 800 Jahre alte Burgruine, ebenfalls Löwenburg genannt. Wir fuhren mit dem Auto bis Ittenbach, im „Volksmund“ auch liebevoll „Ittenbeachmountains“ genannt und stellten den Wagen auf einem Parkplatz am Fuß des Berges ab.
Ein freundlicher Parkwächter, der schon zu so früher Stunde parat stand, knöpfte uns 1,50 Euro ab, von denen sich der Verschönerungsverein finanziert, der die Gegend um die Burg und den Berg für die Wanderer in Ordnung hält.
Den Rucksack voll mit Proviant, den wir uns gemütlich auf der Burgruine genehmigen wollten machten wir uns auf den Weg. So früh am Morgen war noch relativ wenig los. Trotzdem war ich erstaunt, wie viele Spaziergänger, Wanderer und Radfahrer um die Uhrzeit an einem Sonntagmorgen schon unterwegs waren. Dabei waren wir extra früh losgefahren, um den Berg möglichst für uns alleine zu haben
Die Löwenburg scheint nach wie vor und seit eh und je ein beliebtes Ausflugsziel zu sein. Ich war untrainiert und stellenweise war der Aufstieg ziemlich steil, aber zu schaffen. Selbst für meine alte Dame. Nur mein Mann stiefelte unbeeindruckt von der Steigung vorneweg und ermahnte uns des öfteren:
„Weniger quatschen und aufs Laufen konzentrieren.“
Jetzt weiß ich auch, was mein Mann unter Wandern versteht. Der Weg ist nicht das Ziel, sondern das Ziel ist das Ziel und da darf dann erst gequatscht werden. Gar nicht so einfach, sich daran zu halten als Mädel… aber irgendwann verging mir die Lust aufs Quatschen. Das letzte Stück Weg hat mich dann doch etwas gefordert und ich musste mich aufs Atmen konzentrieren. Das Alter, was soll man machen! Etwas außer Atem hob ich den Kopf um zu sehen, wie hoch dieser Berg denn noch wäre und da war sie plötzlich, die Löwenburg.

Zwischen noch nicht belaubten Bäumen ragten die traurigen, aber immer noch imposanten Reste der alten Burgmauern in den Himmel. Ich liebe alte Gemäuer und komme immer wieder ins Staunen und Träumen. Vor allem, wenn ich weiß, daß die Grundmauern dieser alten Trutzburg schon seit 800 langen Jahren Wind und Wetter und diversen Bombenangriffen getrotzt haben. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie lange es gedauert haben mag, diese vielen Steine den Berg rauf zu schleppen und daraus dann auch noch so eine gigantische Burg zu bauen!
Ich erreichte die Außenmauer und entdeckte gleich die kleine Öffnung. Sofort galoppierte meine Fantasie mit mir davon. Was mag das mal gewesen sein? Vielleicht der „Dienstboteneingang“? Vor meinem geistigen Auge sah ich junge Mägde, schwer beladen mit Körben voll Obst und Gemüse, die diesen Eingang benutzt haben mögen, um ihre Last in der Küche abzuliefern.
Wenige Schritte weiter passierten wir die Reste des äußeren und inneren Burgtores. Auf der rechten Seite des inneren Tores hing eine Bronzetafel, die den Besucher über Alter und Werdegang der Burg informiert. Auf der linken Seite warnte das Forstamt, daß das Betreten der Ruine auf eigene Gefahr geschieht und daß das Klettern auf dem alten Gemäuer verboten ist. … Spielverderber!
Die breiten Mauern, die stellenweise kaum höher, als bis zu meiner Hüfte reichten ( und ich bin recht klein ), animierten doch geradezu, um darauf herumzuklettern! Menno!! Ich sah mich unauffällig auf dem Gelände um, ob ich vielleicht irgendwo einen Aufpasser entdecken würde aber bis auf einen jungen Mann, der am Ende der Ruine auf selbiger Mauer saß, auf der man nicht herumklettern durfte und die Aussicht genoß, konnte ich niemanden entdecken. Na, also! Wo kein Kläger, da kein Richter. Wer will mir hier verbieten, Mensch zu sein!?
Ich überlegte, wo ich zuerst auf Entdeckungstour gehen sollte und wendete mich nach rechts um die Holztreppe zu erklimmen, die zu dem höher gelegenen Teil der Burg führte und noch die Grundrisse der alten Räumlichkeiten erahnen ließ.
Da, wo wahrscheinlich einst die Gräfliche Witwe Mechthild von Sayn im 13. Jahrhundert ihre Gemächer hatte, saßen an diesem Morgen zwei Senioren auf einer Holzbank im Schatten eines mächtigen Baumes, genossen die atemberaubende Aussicht über das Rheintal und philosophierten über alltägliche Probleme. Zu ihren Füßen lag ein erschöpfter Hund, ebenfalls im Rentenalter und erholte sich von dem anstrengenden Aufstieg, während sein Herrchen sich über seine Krankenversicherung echauffierte.
Hier traf ich auch meinen Mann wieder, der schon sehnsüchtig auf mich wartete. Ich trug nämlich den Rucksack mit unserem Frühstück. Der wurde auch sogleich ausgepackt und die mitgebrachten Brote unter uns Dreien redlich verteilt. Gedankenverloren kaute ich auf meiner Stulle herum, während ich versuchte, aus den Grundrissen schlau zu werden. Es hingen zwar überall Tafeln herum, auf denen Abbildungen gezeigt wurden, wie die Burg mal ausgesehen haben könnte, aber diese winzigen Quadrate am Boden konnten doch unmöglich mal ganze Räume gewesen sein! So groß und mächtig die Masse der Außenmauern auch waren, bei den Innenräumen wurde kräftig an Quadratmetern gespart.
Ich ging um die Reste des großen Turmes herum, der den höchsten Punkt der Burg darstellte und staunte über die wahnsinnig dicken Mauern. So dick wie die Turmmauern waren, so breit ist heute so manches Kinderzimmer. Leider bin ich zu klein, um von der niedrigsten Stelle der Turmmauer aus bis auf den Boden zu gucken und ich wollte unbedingt wissen, wie groß denn so ein mittelalterlicher Turm von innen ist. Also verstieß ich dreisterweise gegen das Verbot und zog mich an der Mauer hoch. Ganz vorsichtig natürlich und mit begührendem Respekt, um ja nichts kaputt zu machen.
Bei dem Blick hinunter in den Innenraum des alten Turmes ergriff mich wieder die alte Ehrfurcht, die mich jedes Mal ereilt, sobald ich mehrere hundert Jahre alte Gemäuer betrete. Denn da wo heute Gras und Bäume wachsen, haben mal Menschen gelebt, gearbeitet und gekämpft. Wie viele Tragödien und freudige Ereignisse haben sich hier in den letzen 800 Jahren ereignet, von denen heute niemand mehr etwas weiß? Was ist alles in diesem Turm passiert, der zeitweise sogar als Gefängnis genutzt wurde? Die armen Gefangenen hatten jedenfalls nicht viel Platz, denn die Mauern waren auch hier breiter, als der Raum, den sie umschlossen. Wie oft mussten da Kanonenkugeln und später Bomben und Granaten eingeschlagen haben, bis die mächtigen Mauern nachgaben?
Die Kriege des 16. und 17. Jahrhunderts ließen die stolze Löwenburg zur Ruine werden aber erst Ende des 19. Jahrhunderts hat man die Gemäuer wegen Baufälligkeit abgetragen. Bis auf die traurigen letzen Reste, die wir heute bewundern dürfen.
Irgendwie bin ich unzufrieden. Ich hab so viele Fragen und die paar Tafeln befriedigen nicht im Geringsten meine Neugier. Auch im Internet ist später nicht viel mehr zu erfahren.
Beim Abstieg bin ich nachdenklich und fast traurig. Erst jetzt, wo es bergab geht, nehme ich mir die Zeit mal links und rechts zu gucken und mir fallen die vielen, vielen großen Steinbrocken auf, die überall verstreut herumliegen. Sie sind dick mit Moos bewachsen und zum Teil halb in der Erde versunken. Sie wurden beim Abriss achtlos den Berg hinuntergeworfen und wittern jetzt vor sich hin. Warum hat man die Burg nicht besser erhalten? War es zu teuer? Die Burg zu unbedeutend? Wie kann man so etwas nur kaputt machen, was unsere Vorfahren mühsam mit eigener Hände Arbeit ohne die Hilfe von schweren Maschinen jahrelang aufgebaut haben?! Sind wir so arm, daß wir die alten Zeugen unserer Vergangenheit, unser Erbe nicht erhalten können?
Das ist so unendlich schade.

Text: Nadja von der Hocht

Fotos: von der Hocht Mediendesigh

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